Mik Schollenberge
Das Gebäude an der Ecke Allmendstrasse/Tobelweg, unmittelbar neben dem Ortsmuseum, war bis Mitte des 20. Jahrhunderts eine Wirtschaft und Metzgerei mit eigenem Schlachthaus. Da am Gebäude seither keine Veränderungen vorgenommen worden sind, kann sich der aufmerksame Betrachter den damaligen Betrieb recht gut vor Augen führen. Zur Wirtschaft gelangte man über eine Treppe, von der sonnigen Terrasse aus sah man die Kirche, und bergseits des Tobelwegs befand sich die Gartenwirtschaft mit schattenspendenden Bäumen. Die Metzgerei und das Schlachthaus befanden sich im Untergeschoss. Zweifellos war hier eine willkommene Station für so manche Person auf dem Weg zu oder von der Allmend.
Es wäre interessant, mehr über die Entstehungsgeschichte dieses Betriebs zu erfahren. Bekannt ist lediglich, dass der Inhaber Alfred Heussi diesen gemischten Betrieb bis kurz nach dem Krieg führte. Denn als die neue Liegenschaft beim Oberwacht-Kreisel Anfang der Fünfziger Jahre fertiggestellt war, verlegte Heussi die Metzgerei an den neuen, zentraleren Standort. Wenig später übergab er die Metzgerei Oberwacht seinem Nachfolger Theo Schmid. Wie lange Heussi die Gastwirtschaft noch weiter betrieb, ist nicht überliefert.
Zwei Anekdoten werden mit der Wirtschaft von Alfred Heussi in Verbindung gebracht. Die erste ist eine skurrile Geschichte über einen Manteltausch und danach einem Rollentausch – beides war völlig unbeabsichtigt und ergab sich aus den Zusammenhängen. Hauptperson ist Dr. iur. Jakob Müller (1885-1955). Er war bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs Kommandant der Zürcher Kantonspolizei und trat im September 1939 zur Heerespolizei über, als deren Chef. Müller wohnte an der Utzingerstrasse und besuchte gerne die Gastwirtschaft von Alfred Heussi, wo er sich mit seinesgleichen traf. Es wird überliefert, dass er kein Puritaner und den Gastwirtschaften nicht abgeneigt gewesen sein soll. Als der pensionierte Müller nach einem wohl recht fröhlichen Abend im Jahr 1950 oder 1951 den Heimweg antrat, hat er aus Versehen einen anderen Mantel angezogen. Der ehemalige Polizei-Kommandant Müller wurde in der Folge von der Küsnachter Polizeistation vorgeladen und zum Vorfall befragt. Dazu sollte man wissen, dass polizeiliche Angelegenheiten, die Küsnacht betrafen, noch bis Anfang 1950 von der Kantonspolizei oder einem Gemeindeweibel bearbeitet wurden und erst ab März 1950 durch eine eigene Gemeindepolizei. Für den damaligen, frisch erkürten Gemeindepolizisten Marcel Rosenberger muss es zweifellos ein recht seltsames Gefühl gewesen sein, seinen früheren Vorgesetzten befragen zu müssen resp. zu dürfen. Eine ähnliche Empfindung darf man wohl auch aus dem Blickwinkel von Müller vermuten.
Es ist nicht belegt, dass die zweite Anekdote ebenfalls mit der Wirtschaft von Alfred Heussi zu tun hat, doch liegt dies aufgrund ihrer geographischen Lage nahe. Es ging um eine Wette zwischen der bekannten Küsnachter Fussball-Legende Severino Minelli (1909-1994) und einer anderen Person. Die beiden dürften sich in der Nähe des Wangensbach befunden haben, als sie die folgende Wette abschlossen: gewonnen hat, wer zuerst auf der anderen Bachseite bei der Wirtschaft von Alfred Heussi ankommt. Dazu ein wichtiges Detail: die Alte Landstrasse verband sich damals noch nicht nahtlos mit der Oberen Heslibachstrasse, die Brücke existierte noch nicht. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts führte die Alte Landstrasse vom Feuerwehr-Gebäude schräg hinunter zum Dorfplatz beim heutigen Gemeindehaus. Erst dort konnten Fahrzeuge den Dorfbach überqueren. Von dort aus führte die Allmendstrasse entlang dem Bach hoch zur Wirtschaft von Alfred Heussi und weiter zur Allmend. Der Weg vom Wangensbach zur Wirtschaft von Alfred Heussi war somit um einiges länger als heute – wenn da nicht noch eine alles entscheidende Abkürzung wäre, nämlich die schmale Brücke bei der Felsenegg am Tobeleingang, nahe bei Werkgebäude und Ortsmuseum. Severino Minelli, zeitlebens bekannt als Fahrer eines Fiat Topolino, der nur 130cm breit war, nutzte diesen Umstand. Mit seinem Auto war es ihm nämlich möglich, die schmale Brücke bei der Felsenegg zu überqueren und die Wette souverän zu gewinnen. Ob dies ganz ohne Schramme am Topolino gelang, ist nicht überliefert.
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Wir sind Ihnen dankbar für Ergänzungen und die Beantwortung folgender Fragen:
- Wer weiss mehr über die Person Alfred Heussi?
- Wer war der Wettpartner von Severino Minelli, wie lautete der genaue Inhalt der Wette und wo wurde die Wette abgeschlossen?
- Gibt es weitere Anekdoten und wissenswerte Informationen im Zusammenhang mit der Wirtschaft und Metzgerei von Alfred Heussi?
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In den nächsten Ausgaben des Küsnachters soll über folgende Wirtshäuser berichtet werden:
- Paprika resp. Oberwacht an der Ecke Oberwachtstrasse/Obere Dorfstrasse
- Sternen an der Karrenstrasse
- Waldhaus Johannesburg an der Johannisburgstrasse
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Danke für Ihre Hinweise, Fotos, Geschichten und Anregungen an
Mik Schollenberger, Email mitmachen@ortsgeschichte-
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